Das Zimmer

 

Das Zimmer

Wie Jesus mit Sachen umgeht, die falsch gelaufen sind


Normalerweise erzähle ich niemanden meine Träume, aber ich möchte Dir von einem berichten, der mich ziemlich aufgewühlt hat. Als Christen "wissen" wir bestimmte Dinge. Zum Beispiel, daß Jesus uns liebt und das er für unsere Sünden starb. Das haben wir schon oft gehört, es klingt so abgedroschen, daß uns die tiefe Bedeutung dieser Aussagen oft schon gar nicht mehr bewußt ist. Wir müssen sie uns neu vor Augen führen, um ihren Wert zu entdecken.Der Traum, den ich eines Nachts hatte, erinnert mich wieder daran. Er faßt alles zusammen, was Jesus Christus für mich getan hat. Ich erzähl ihn, weil wir uns nach dem vergangenen Kapitel über die Wichtigkeit der Reinheit Gottes unglaubliche Gnade ins Gedächtnis rufen sollten. Bei einigen, wie auch bei mir, kommt Bedauern auf, wenn sie über ihre eigene Reinheit nachdenken.
Genau dann ist dieser Traum, den ich "Das Zimmer" nenne, an Dich gerichtet:

Ich befand mich in einem Zimmer, in dem nichts war außer einem Regal voller Kästen mit Karteikarten. Sie ähnelten den Karten, die man in den Büchereien findet, auf denen Titel, Autor und Sachgebiet alphabetisch aufgelistet sind. Aber die Kästen hier, die vom Fußboden bis zur Decke reichten und zur rechten und linken Seite kein Ende nahmen, waren in ganz unterschiedliche Rubriken eingeteilt. Als ich mich dem Regal näherte, erregte eine Box mit der Aufschrift: "Mädchen, in die ich verliebt war" meine Aufmerksamkeit. Ich öffnete den Kasten und begann ein bißchen herumzublättern. Schnell schlug ich ihn wieder zu. Erschrocken stellte ich fest, daß mir all die Namen bekannt vorkamen.Ohne das es mir jemand sagen mußte, wußte ich genau, wo ich war. Dieser düstere Raum mit seinen Akten beinhaltete ein Katalogsystem über mein Leben. Hier war alles aufgeschrieben, Wichtiges und Unwichtiges, mit allen Details, an die ich mich gar nicht mehr erinnern konnte.Verwunderung und Neugier überkamen mich gleichzeitig, als ich mit einem Schaudern anfing, planlos die Kästen zu öffnen, um ihren Inhalt zu inspizieren. Einige brachten Freude und schöne Erinnerungen, bei anderen schämte ich mich so sehr, das ich mich sogar vorsichtig umdrehte, um zu sehen, ob mich jemand beobachtete. Der Kasten "Freunde" stand neben dem Kasten "Freunde, die ich enttäuscht habe". Die Aufschriften waren zum Teil ganz normal, zum Teil ziemlich absurd. "Bücher, die ich gelesen habe", "Lügen, die ich erzählt habe", "Ermutigung für andere", "Witze über die ich gelacht habe." Einige waren in ihrer Exaktheit fast schon witzig: "Worte, die ich meinem Bruder an den Kopf schmiß." Über andere konnte ich gar nicht lachen: "Dinge, die ich aus Wut getan habe", "Beleidigungen, die ich im stillen gegenüber meinen Eltern aussprach." Immer wieder war ich über die Inhalte überrascht. Häufig fand ich viel mehr Karten vor, als ich erwartete, manchmal weniger, als ich erhoffte.

Die unglaubliche Menge der Kästen überwältigte mich. Konnte es möglich sein, daß ich mit meinen zwanzig Jahren all diese Karten, bestimmt Tausende oder sogar Millionen, ausgefüllt hatte? Jede Karte bestätigte diese Annahme. Sie wiesen alle meine Handschrift und sogar meine Unterschrift auf. Der Kasten "Lieder die ich angehört habe" war viel größer als alle anderen, fast drei Meter breit! Die Karten waren eng hintereinander eingeordnet. Ich schloß ihn beschämt, nicht so sehr wegen der Qualität der Musik, sondern weil ich mir der immensen Zeitverschwendung bewußt wurde, die diese Rubrik deutlich machte.  Als ich die Aufschrift "Erotische Gedanken" entdeckte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich zog den Kasten nur ein Stück heraus, denn ich wollte die Größe gar nicht erst sehen, und nahm schnell eine Karte heraus. Innerlich zuckte ich zusammen bei den genauen Angaben darauf. Mir wurde schlecht, als ich daran dachte, daß auch solche Momente festgehalten waren. Plötzlich wurde ich unglaublich zornig. Ich hatte nur einen einzigen Gedanken:

"Niemand darf diese Karten jemals sehen! Niemand darf jemals dieses Zimmer entdecken! Ich muß sie zerstören!" In wilder Verzweiflung zog ich ruckartig den Kasten raus. Die Größe war jetzt völlig egal. Ich mußte ihn leeren und die Karteikarten vernichten. Ich drehte den Kasten um und schüttelte die Karten heraus, um sie zu zertreten. Doch keine einzige ging kaputt! Außer Atem nahm ich eine Karte in die Hand und bemerkte, daß sie stahlhart war - unzerstörbar. Geschlagen und völlig hilflos stellte ich den Kasten an seinen Platz zurück. Und dann sah ich es. Die Aufschrift eines Kastens lautete: "Personen, denen ich von Gott erzählt habe". Der Griff dieses Kästchens war sauberer als die anderen drumherum, neuer, fast unbenutzt. Ich zog, und ein Kasten nicht länger als ein paar Zentimeter kam zum Vorschein. Ich konnte die Karten darin an einer Hand abzählen. Mir kamen die Tränen. Wildes Schluchzen schüttelte mich. Ich fiel auf die Knie und weinte laut, weil ich mich so wahnsinnig schämte. Vor meinen Augen drehten sich jetzt die Regale mit ihren ganzen Aufzeichnungen. Niemand, wirklich niemand, darf jemals von diesem Raum erfahren. Ich muß ihn abschließen und den Schlüssel verstecken.Dann, als die Tränen versiegt waren, sah ich ihn. Oh nein, bitte nicht er.

Nicht hier. Nein, alles, aber bitte nicht Jesus!Hilflos nahm ich wahr, daß er die Kästen öffnete und die Karteikarten durchlas. Ich konnte nicht mit ansehen, wie er reagieren würde. Als ich mich überwand und ihm ins Gesicht schaute, bemerkte ich, daß es ihn noch viel mehr schmerzte als mich. Intuitiv schien er die peinlichsten Kästen herauszunehmen. Warum mußte er jede einzelne Karte lesen?Schließlich drehte er sich um und sah zu mir herüber. Mitleid spiegelte sich in seinen Augen. Ich senkte meinen Kopf, hielt mir die Hände vors Gesicht und fing wieder an zu heulen. Er kam zu mir und legte den Arm um mich. Er hätte so viel sagen können - aber er schwieg. Er weinte mit mir.Dann stand er auf und ging zurück zu dem Regal. Er begann an einer Seite des Zimmers, nahm jeden Kasten raus und fing an, meinen Namen durchzustreichen und ihn mit seinem eigenen zu überschreiben - auf jeder Karteikarte."Nein", schrie ich und rannte zu ihm herüber. Das einzige, was ich sagen konnte, war "Nein, nein", als ich ihm die Karte aus der Hand zog. Sein Name sollte nicht auf diesen Karten stehen. Aber da stand er schon, mit blutroter Farbe. Nur sein Name war zu lesen,

Jesus
nicht mehr meiner. Er hatte mit seinem Blut unterschrieben.
Schweigend nahm er die Karte zurück. Er lächelte traurig, während er weiter die Karten unterzeichnete. Ich weiß nicht, wie er das so schnell gemacht hat, denn schon im nächsten Moment hörte ich den letzten Kasten zuklappen. Er legte seine Hand auf meine Schulter und sagte: "Es ist vollbracht."Ich stand demütig auf, und er führte mich aus dem Zimmer. Es gab kein Schloß an der Tür. Aber es gab viele weitere leere Karten, die darauf warteten, beschrieben zu werden.

Für Sünder wie Dich und mich gibt es eine gute Nachricht: Jesus hat unsere Schuld bezahlt. Er hat unsere Sünde mit seinem Blut weggewaschen, er hat unsere Vergangenheit vergessen gemacht. Ab heute beginnt die Unschuld neu."Darum laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts" (Römer 13,12). Zugegeben, einige von uns müssen mehr "ablegen" - mehr Erinnerungen, mehr Schmerzen, mehr Bedauern. Aber die Vergangenheit hat keinen Einfluß mehr auf unsere Zukunft. Wir haben jetzt wieder ganz neu die Wahl, wie wir von nun an leben wollen.







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